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Nackthunde – Qualzuchtmerkmal Haarlosigkeit

14.01.2022

Bei einigen Hunderassen wird nicht nur auf verschiedene Fellstrukturen sondern auch auf partielle bis vollständige Haarlosigkeit selektiert. Die Haarlosigkeit dieser Nackthunde wird in der Fachwelt als sogenanntes Qualzuchtmerkmal diskutiert. In diesem Artikel geben wir ein Überblick über die genetischen Hintergründe und den aktuellen Forschungsstand.

Nackthunde – Qualzuchtmerkmal Haarlosigkeit

Rauhaar, Kurzhaar, Langhaar – dass bei vielen Hunderassen eine Selektion auf unterschiedliche Fellstrukturen stattfindet, ist wohl vielen Hundefreund:innen bekannt. Doch bei einigen Hunderassen wird nicht nur auf verschiedene Fellstrukturen sondern auch auf partielle bis vollständige Haarlosigkeit selektiert. Während Nackthunde in  einigen südamerikanischen Kulturen als kultureller Bestandteil gelten, sind diese in Europa eine Erscheinung moderner Hundezucht. Aufgrund, mit der Haarlosigkeit in Verbindung stehender, gesundheitlicher Problematiken wird diese als Qualzuchtmerkmal diskutiert. 

Qualzuchtmerkmal was ist das? –  Unter dem Begriff „Qualzuchtmerkmal“ werden bestimmte (extreme) Körpermerkmale aber auch Gendefekte, erblich bedingte Erkrankungen sowie Verhaltensmerkmale bezüglich ihrer tierschutzrechtlichen Relevanz diskutiert, da diese bei Tieren und/oder ihren Nachkommen Leid erzeugen, erzeugen können oder im Verdacht stehen dies zu tun. Die Liste an Merkmalen über die Wissenschaftler:innen, Tiermediziner:innen und andere Fachleute diskutieren ist sehr lang und betrifft weit mehr Hunderassen (und auch weitaus mehr Heim- und Nutztierarten als den Hund) als vielen bewusst ist. Mehr zu diesem Thema findest du in unserer Rubrik Qualzucht.

Warum haben Nackthunde kein Fell?

Um zu verstehen warum die Haarlosigkeit als Qualzuchtmerkmal diskutiert wird, müssen wir zunächst die genetischen Hintergründe betrachten.
Anders als häufig angenommen, sind nicht alle Hunde sogenannter Nackthunderassen nackt. Die Haarlosigkeit ist vielmehr eine entweder bewusst geförderte oder tolerierte optische Erscheinung, die auf bestimmte Gendefekte zurück zu führen ist. Dabei muss zwischen zwei genetischen Ursachen der Haarlosigkeit unterschieden werden.

FOXI3-Gen bei südamerikanischen Nackthunden und Chinesischem Shopfhund

Rassen wie Xoloitzcuintle (auch Mexikanischer Nackthund), Peruanischer Viringo (auch Peruanischer Nackthund) und höchstwahrscheinlich auch der Chinesische Schopfhund (alle FCI-anerkannt) sind Nachfahren südamerikanischer Nackthunde. Für ihre Haarlosigkeit ist eine autosomal-kodominant vererbte Genvariante des FOXI3-Gens verantwortlich. 

Nackthunde, Chinesischer Schopfhund und Mexikanischer Nackthund

Die Haarlosigkeit tritt bereits bei einem einfachem Vorliegen des defekten Allels auf. Die Haarlosigkeit der heterozygoten Träger ist dabei nur ein Teil des Krankheitsbildes Canine Ektodermale Dysplasie (CED) und geht mit fehlenden Eck- und Schneidezähnen sowie mit abnorm geformten Backenzähnen einher. Darüber hinaus treten manchmal Fehlbildungen des Hörkanals und des Außenohrs auf. Auch die Rückbildung lymphatischer Organe konnte beobachtet werden. 

Liegt das defekte Allel doppelt, also homozygot, vor sterben die Träger bereits im Mutterleib ab. Bei diesem Defekt handelt es sich also um einen Letalfaktor.

SGK3-Gen

Ein weiterer Erbgang betrifft eine Variante des SGK3-Gens. Die Haarlosigkeit wird hier autosomal-rezessiv vererbt und als Juvenile Alopezie bezeichnet. Diese Mutation bewirkt die Nacktheit der American Hairless Terrier (FCI), aber auch beim Scottish Deerhound treten dadurch vereinzelt und ungewollt Hunde ohne Fell auf.

American Hairless Terrier und Rat Terrier

Im Gegensatz zur FOXI3-Genvariante ist diese Mutation nicht semi-letal. Gesundheitliche Einschränkungen, abgesehen von möglichen Komplikationen durch die Nacktheit, sind bisher nicht bekannt. 

Grafik Nackthunde – Canine Ektodermale Dysplasie (CED) und Juvenile Alopezie

Nackthunde im Qualzuchtdiskurs

Bereits im Gutachten zur Auslegung von §11b des Tierschutzgesetzes aus dem Jahr 1999 wird mit Hinweis auf die, neben den bereits erwähnten morphologischen Anomalien, weiteren Gesundheitsnachteile wie Immunschwächen und Hautprobleme, ein Zuchtverbot für alle Defektgenträger der heterozygot vererbten Haarlosigkeit empfohlen. Der andere, rezessive Erbgang war zum Zeitpunkt des Gutachtens noch nicht erforscht. 

Gemein haben die haarlosen Hunde aber, dass das fehlende Fell keinerlei Vorteile hat und weder vor Witterungs-, noch anderen Umwelteinflüssen schützen kann. Somit ist die Haut dieser Hunde empfindlicher. Das kann zu sekundären Problemen wie Infektionen infolge von Verletzungen, Erfrierungen und Hautkrebs durch Sonnenbrände führen. Studien, die diese Gesundheitsrisiken und Komorbitäten quantifizieren und damit eine abschließende Bewertung ermöglichen würden, gibt es jedoch derzeit noch nicht. Von Rasseliebhaber:innen wird häufig angeführt, dass die Haut der Nackthunde robuster als die von behaarten Hunden sei. Wissenschaftlich belegt ist dies jedoch nicht. Selbst wenn die Haut tatsächlich stabiler wäre, könnte es sich um eine sekundäre Anpassung aufgrund der stärkeren Beanspruchung handeln.

Im Bezug auf die Forschung rund um Gendefekte und Krankheitswerte von Zuchtmerkmalen ist ganz wichtig zu beachten, dass das Fehlen von Studien nicht automatisch bedeutet, dass keine problematischen Zusammenhänge bestehen. Man sollte hierbei immer im Hinterkopf haben, dass die Durchführung wissenschaftlicher Projekte nicht nur von den zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln, sondern vor allem auch von der Mitarbeit von Züchter:innen und Halter:innen betroffener Rassen  abhängt.  Ist die Bereitschaft zur Datenerhebung und Datenweitergabe rund um gesundheitliche Problematiken oder anderweitig auffällige Merkmale nicht oder nur in geringem Umfang vorhanden, kann Forschungsfragen nicht nachgegangen werden.

Unser Fazit zu den Nackthunden

Mit diesem Hintergrund kann abschließend gesagt werden, dass die Zucht von Nackthunden eher Nachteile für die betroffenen Hunde hat. Im Fall der kodominanten und semi-letal vererbten FOXI3-Variante ist die Haarlosigkeit noch mit zusätzlichen gesundheitlichen Einschränkungen verbunden. Erst recht im mitteleuropäisch nass-kalten Klima ist es so kaum zu begründen, warum sich in der Zucht zukünftig nicht auf die behaarten Varianten der Rassen fokussiert werden sollte.

Behaarte Nackthunde – ein Powderpuff, die behaarte Variante des Chinesischen Shopfhundes und ein behaarter Xoloitzcuintle

Die Notwendigkeit bewusster Zucht mit Gendefekten sollte immer sehr kritisch hinterfragt werden. Insbesondere dann, wenn Letalfaktoren oder zusammenhänge mit bestimmten Krankheitsbildern vorliegen. Die Gesundheit von Einzeltieren aber insbesondere auch die der gesamten Zuchtpopulation sollte immer im Vordergrund stehen und darf nicht für optische oder kulturelle Vorstellungen in den Hintergrund rücken. Auch und gerade dann, wenn Erbgänge noch nicht vollständig geklärt sind!

Annsophie Schmidt

Annsophie Schmidt

Annsophie hat Forstwissenschaft (B.Sc.) studiert und widmet sich aktuell ihrem Masterstudium Evolution, Ecology and Systematics. Daneben absolviert sie gerade gemeinsam mit ihrem Airedale Terrier Fiete eine Ausbildung zum Artenschutzspürhunde-Team.

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